Arbeitskreis für Moderne Sozialgeschichte e.V.

 

 

Geschichte des Arbeitskreises

Der Arbeitskreis für Moderne Sozialgeschichte e.V. wurde 1957 von Werner Conze in Heidelberg gegründet. Das Ziel dieser Gruppe von Historikern, Sozialwissenschaftlern, Theologen und Juristen war von Anfang an das ergebnisoffene Nachdenken und Streiten über Fragestellungen, theoretische Ansätze und Methoden der Sozialgeschichte.

Zu den Rahmenthemen, die der Kreis sich selbst setzt, gehörten in den 1970er Jahren „Arbeiter und Arbeiterbewegungen“, in den 1980ern die „Sozialgeschichte der Familie“ und die „Geschichte des Bildungsbürgertums“, während der 1990er Jahre vor allem die „Sozialgeschichte Europas im 20. Jahrhundert“ und in den 2000er Jahren „Arbeit in globaler Perspektive“. Sie haben der deutschen Geschichtswissenschaft wesentliche Impulse gegeben. Auch das von Otto Brunner, Werner Conze und Reinhart Koselleck herausgegebene Grundlagenwerk, das Lexikon „Geschichtliche Grundbegriffe“, haben die Mitglieder des Arbeitskreises konzeptionell entwickelt und maßgeblich geschrieben. 

Zentrale Auseinandersetzungen und Weiterentwicklungen der deutschen Geschichtswissenschaften wurden von den Diskussionen des Arbeitskreises oft angestoßen. So entwickelte Reinhart Koselleck auf der Frühjahrstagung „Theorie der Geschichtswissenschaft“ 1968 sein Diktum von der „Theoriebedürftigkeit der Geschichtswissenschaft“ und lieferte mit seinem Konzept einer „Sattelzeit“ ein bis heute prägendes Theorieangebot historischer Zeiten. Interne Differenzen des Arbeitskreises spiegelten auch die zeitweiligen Lager der deutschen Geschichtswissenschaft wider, wie auf der Herbsttagung 1980 besonders deutlich wurde. Hans-Ulrich Wehler und Jürgen Kocka plädierten hier für eine empirisch-theoretisch fundierte Gesellschaftsgeschichte als „Fluchtpunkt für die historische Analyse der Gesamtgesellschaft“, während Thomas Nipperdey gegen „Gesellschaft als vorrangige Größe vor Politik und Kultur“ argumentierte und auf die „Angewiesenheit der Sozial- auf die Kulturgeschichte“ verwies.

Die Grundfrage, wie Geschichtswissenschaft als methodisch reflektierte und theorieorientierte Wissenschaft betrieben werden kann, steht weiterhin im Mittelpunkt der Debatten und wird durch die Erweiterung des Gegenstandsbereichs von deutschen und europäischen Handlungsräumen hin zu globalen Zusammenhängen neu aktuell. Im Rahmen des derzeitigen Schwerpunkts „Kapitalismus“ fragen die rund 25 Mitglieder des Arbeitskreises beispielsweise, welche Formen Arbeit im globalen Kapitalismus annimmt, wie bürgerliche Mittelklassen auch als Resultat globaler Vergesellschaftung entstehen oder wie die Finanzialisierung auf Staat und Gesellschaft einwirkt.

 

Literatur:

Ulrich Engelhardt, Konzepte der "Sozialgeschichte" im Arbeitskreis für moderne Sozialgeschichte. Ein Rückblick, Essen 2007.

Winfried Schulze, Deutsche Geschichtswissenschaft nach 1945, München 1989, S. 254-265.

Werner Conze, Die Gründung des Arbeitskreises für Moderne Sozialgeschichte, in: Hamburger Jahrbuch für Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik 24 (1979), S. 23-32.